Donnerstag, 26. September 2013

Timur Vermes "Er ist wieder da"

Vermutlich wirkte ich den Hitlerjungen
nicht hilfsbedürftig genug, sie machten
den Eindruck, als wollten sie ihr Fußball-
spiel wieder aufnehmen, jedenfalls wandte
sich der größte nun zu seinen Kameraden
um, wodurch ich seinen Namen lesen
konnte, den ihm seine Mutter auf das
geradezu grellbunte Sportleibchen
gewirkt hatte.
"Hitlerjunge Ronaldo! Wo geht es zur
Straße?"

Erscheinungsdatum: 21.09.2012
Verlag: Eichborn
Seiten: 396

66 Jahre nach seinem Selbstmord erwacht Adolf Hitler auf einem unbebauten Grundstück mitten in Berlin und ist sichtlich verwirrt ob der für ihn fremden Umgebung und Umstände. Nichts scheint einen Sinn zu ergeben. Wo ist er? Wo sind seine Leute? Wo die Feinde? Hitler erkennt, dass er mehr Informationen braucht, um seine nächsten Schritte planen zu können. Er wandert durch Berlin, wobei die Reaktionen auf seine Erscheinung unterschiedlicher nicht ausfallen könnten. Viele halten ihn für einen Schauspieler bzw. denken, dass sie gerade von der versteckten Kamera gefilmt werden. Hitler findet Hilfe bei einem Kioskbesitzer, der ihn ein paar Tage in seinem Kiosk schlafen lässt und ihm so die Möglichkeit gibt, alles notwendige über seine neue Situation in Erfahrung zu bringen. Der Ladeninhaber ist völlig begeistert von Hitlers Authentizität und seiner Liebe zum Detail bei seiner "Performance" und macht ihn mit ein paar Leuten vom Fernsehen bekannt, die öfter bei ihm auf einen Kaffee vorbei kommen. Diese sehen großes Potential in der "Figur" Hitler und nehmen ihn unter Vertrag. Hitler kann das nur Recht sein, denn inzwischen hatte er genügend Zeit, sich über das heutige Deutschland zu informieren und sich seine eigenen Gedanken dazu zu machen. Und was eignet sich besser als das Fernsehen, um schnell und effektiv anderen Menschen seine Meinung mitzuteilen? 
Das Buch ist aus der Ich-Perspektive Hitlers geschrieben, sodass der Leser jeden Gedanken und jede neue Erkenntnis direkt miterlebt. Timur Vermes hat als Recherche viele historische Dokumente und Schriften Hitlers gelesen, was man sofort am Schriftstil erkennt: viele ausschweifende Monologe/Gedankengänge mit den bekannten Ansichten und Meinungen Hitlers. Vor dieser Leistung kann man nur den Hut ziehen, dennoch muss ich sagen, dass die manchmal doch sehr weitreichenden Erörterungen auf Dauer etwas ermüdend auf mich wirkten. Es ist interessant, das heutige Deutschland aus der Sicht Hitlers zu sehen, der schonungslos jede Schwäche/jeden Fehler aufdeckt und natürlich sofort Verbesserungsvorschläge bei der Hand hat, die dann wiederum nicht immer unbedingt meinen Vorstellungen entsprechen. Es ist erschreckend zu sehen, wie einfach es heutzutage scheinbar immer noch ist, mit radikalem Gedankengut großen Erfolg zu haben, vor allem, wenn man es so gut verbergen kann wie Hitler es tut. Natürlich halten ihn alle für einen Comedian/Schauspieler, sodass niemand ernsthaft den Verdacht hat, dass er Pläne hegt, sich wieder zum Führer des deutschen Volkes zu machen. Doch als Leser stehen einem da schon öfters die Nackenhaare zu Berge, vor allem, wenn man bedenkt, dass das alles schon einmal Realität war. Und genau wegen dieser Tatsache ist mir auch nach den ersten 50 Seiten das Lachen gründlich vergangen, obwohl es eine Menge lustiger Anspielungen auf das Leben und politische Wirken Hitlers gibt. Das Buch verlangt seinem Leser einen bestimmten Grad an Wissen ab, der die erlernten Fakten im Geschichtsunterricht weit übersteigt, um genau diese Anspielungen und nur halb beendeten Sätze verstehen und einordnen zu können. "Er ist wieder da" eignet sich also nicht unbedingt als spaßige Nebenbei-Lektüre, sondern ist ein ernstzunehmender Fingerzeig auf die Dinge, die immer noch jederzeit passieren könnten. 

Fazit: 
Das Buch zeichnet sich durch seinen speziellen und authentischen Schreibstil, die zum Teil versteckte Kritik an Institutionen unseres heutigen Lebens und die vor allem am Anfang auftretende Situationskomik aus. 
Doch leider muss ich sagen, dass ich mit dem Fortschreiten der Story nur noch wenig Witziges finden konnte, sondern mir das wahrscheinlich komisch gemeinte eher eine Gänsehaut bereitet hat. 

Das Buch ist wirklich empfehlenswert und glänzt durch die gute Idee des Autors, dennoch sollte ein bestimmtes Wissen über den entsprechenden Zeitraum beim Leser vorhanden sein.

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