Sonntag, 12. Januar 2014

Thomas Harris "Roter Drache"

"Haben Sie eigentlich manchmal Probleme,
 Will?"
"Nein."
"Natürlich nicht"
Graham hatte das Gefühl, als durchdrängen
Lecters Blicke seinen Kopf bis zur Schädel-
basis. Sein Interesse fühlte sich an wie eine
Fliege, die dort herumkrabbelte.
"Freut mich, Sie mal wieder zu sehen. Wie
lange ist das nun schon her - drei Jahre? Alle
meine Besucher zeigen lediglich ein
berufliches Interesse an meiner Person."

Erscheinungsjahr: 1981
Verlag: Heyne
Seiten: 455
1. Teil einer Reihe

"Roter Drache" ist der erste Teil der "Hannibal-Lecter-Reihe" von Thomas Harris, der schon mit Sir Anthony Hopkins erfolgreich verfilmt wurde und auch die Buchvorlage für die "Hannibal"-Serie darstellt. Ich bin sowohl vom Film als auch von der Serie sehr begeistert und habe das Buch erst im Nachhinein gelesen und obwohl ich die Story schon kannte, empfand ich das Buch von der ersten bis zur letzten Seite als spannend und mitreißend. Für alle, die Dr. Hannibal Lecter aus "Das Schweigen der Lämmer" kennen, sei noch gesagt, dass die Ereignisse von "Roter Drache" zeitlich vor den Treffen von Dr. Lecter und Clarice Starling liegen. 
Das Buch beginnt mit Will Graham, dem ehemaligen FBI-Agent, der vor drei Jahren den Kannibalen Dr. Hannibal Lecter schnappte und daraufhin aus dem aktiven Dienst austrat. Will hat eine besondere "Gabe" - er kann sich in den Geist und die Gedanken von Mördern hineinversetzen, was ihn für das FBI zu einem unverzichtbaren Ermittler machte. Nun ist wieder ein Soziopath aufgetaucht und Wills ehemaliger Chef Jack Crawford bittet ihn um Hilfe, damit nicht noch mehr Menschen sterben müssen. Widerwillig lässt er sich darauf ein, ohne zu ahnen, dass er schon sehr bald auf die Unterstützung von Hannibal Lecter angewiesen sein wird, einem seiner größten Alpträume. Doch auch der rote Drache hat längst seinen Blick auf Will gerichtet...
Das Buch besticht durch seine Tiefgründigkeit und die Einblicke in die menschliche Seele, die Thomas Harris uns gewährt. Ich fand es sehr faszinierend zu lesen, wie Will Graham den Gedanken des Täters folgt und einzig und allein anhand von Tatortskizzen den kompletten Tathergang rekonstruieren kann. Wie er versucht, sich in die getöteten Familien hinein zu versetzen und versucht zu verstehen, was der Mörder in ihnen gesehen hat, warum er gerade sie ausgewählt hat. Auch die Darstellung der Psyche des roten Drachen empfand ich als sehr spannend und es hat mir gut gefallen, dass der Leser im Buch wesentlich mehr über sein früheres Leben erfährt, als es im Film der Fall war. Und nun zum eigentlichen Star des Buches: Dr. Hannibal Lecter. Obwohl er nur ein paar mal im Buch wirklich in Aktion tritt, ist seine Anwesenheit doch dauerhaft spürbar. Er ist wie ein Löwe im Käfig, trotz der Gitterstäbe erstarrt man in seiner Gegenwart vor Ehrfurcht, denn man weiß, wozu er in der Lage ist, wenn die Gitterstäbe einen nicht schützen würden. Das Gespräch zwischen ihm und Will ist eines der intensivsten, das ich jemals gelesen habe, obwohl es nicht einmal wirklich lang ist. Ich bin mir nicht sicher, ob selbst Will in der Lage ist, ihn und seine Gedanken wirklich zu verstehen. Dieser Mann ist für mich einer der faszinierendsten Buchcharaktere überhaupt und, ganz nebenbei, in meinen Augen ganz grandios von Sir Anthony Hopkins verkörpert worden: diese Mischung aus Kultiviertheit, Höflichkeit, Intelligenz und im Gegensatz dazu das krasse Nichtempfinden von Reue bezüglich seiner Taten.
Ich möchte an dieser Stelle auch etwas zu der, im Zusammenhang mit diesen Büchern viel diskutierten, "Brutalität" sagen. Ja, natürlich werden Menschen umgebracht und ja, ihre Tode sind ungewöhnlicher als andere Morde, aber dennoch ergeht sich Thomas Harris nicht in seitenweisen grausamen Detailerklärungen oder übelkeiterregenden Beschreibungen von geschändeten Leichen. Innerhalb der Ermittlungen wird der Tathergang von Will rekonstruiert, wobei er selbstverständlich auch die Todesarten und außergewöhnliche Vorgänge benennt, aber dann wendet sich das FBI auch schon der Suche nach dem roten Drachen zu, ohne das der Leser alle fünf Seiten auf die "besondere Grausamkeit" des Mordes hingewiesen wird.

Fazit: 
Dieses Buch kann ich einfach nur durchweg positiv bewerten: es hat eine super dichte Story, sehr interessante Charaktere (mit einem besonderen Augenmerk auf Hannibal Lecter), ist vom Anfang bis zum Ende spannend und unterhaltend. 

Für alle Fans der Filme und der Serie ein absolutes Muss und auch sonst nur wärmstens zu empfehlen.

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