Freitag, 30. Oktober 2015

Kerstin Gier "Silber-Das dritte Buch der Träume"

Persephone beachtete mich 
ohnehin nicht, sie war 
zu sehr damit beschäftigt,
auf meine Brust zu zielen.
Grayson, der ihr am 
nächsten stand, schien 
seinem Gesichtsausdruck nach
verzweifelt abzuschätzen, 
wie viel Zeit er brauchen 
würde, bis er sie erreichte,
aber egal, wie schnell er war,
eine Kugel wäre schneller.

Erscheinungsdatum: 08.10.2015
Verlag: FJB
Seiten:458
3. Teil einer Trilogie

Nun ist es endlich soweit, das große Finale der Silber-Trilogie. Ich war wirklich sehr gespannt auf dieses Buch und wie Kerstin Gier ihre Geschichte am Ende auflösen würde. Aber beginnen wir zunächst am Anfang. Die Situation von Liv und ihren Freunden ist nach wie vor unverändert-Arthur schwelgt in seinen Racheplänen und sieht Livs Tod als deren großen Höhepunkt an. Verständlich, dass sie überall und ständig mit einem Angriff auf ihr Leben rechnet, vor Allem, seitdem Arthur in der Lage ist, Menschen während des Schlafes zu manipulieren, damit diese tagsüber seine Befehle ausführen, ohne überhaupt etwas davon mitzubekommen. Liv, Henry und Grayson versuchen mit Hilfe eines Plans, Arthur zu stoppen und könnten Anabels Unterstützung dabei gut gebrauchen, doch die glaubt immer noch felsenfest an die Existenz ihres Dämons. Währenddessen passieren immer merkwürdigere Dinge und die Schlinge zieht sich immer enger um unsere Freunde.
Also ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich nach Beendigung des Buches ziemlich ernüchtert war. Ich hatte vor Allem zum Ende hin das Gefühl, dass Kerstin Gier die Ideen ausgegangen sind. Es gibt keinerlei neuen Entwicklungen oder Gedankengänge im dritten Band. Arthur ist der Bösewicht, der von Seite zu Seite gemeiner zu werden scheint und den es zu stoppen gilt-dies war auch schon der Stand im zweiten Band. Lieb gewonnene Charaktere verkommen zu reinen Statisten, so dass ich mich zwischenzeitlich fragte: Was macht eigentlich Ernest?/Livs Mum?/Persephone? Das Ende erscheint, als wenn es schnell auf 40 Seiten runter geschrieben wurde (was sich auch bestätigt, wenn man den Anhang liest) und auf ein zwei unerwartete Wendungen wird gar nicht weiter eingegangen bzw. keine Erklärungen geliefert. Die Hochzeit, auf die ich mich wirklich gefreut hatte, wird zu einer kurzen Randnotiz, was ich sehr schade finde. Positiv zu berichten ist allerdings, das alle ungelösten Fragen aufgeklärt werden und wir u.a. auch endlich erfahren, wer denn nun Secrecy ist (ich lag übrigens total daneben mit meinem Tipp).

Fazit:
Trotz einiger Kritikpunkte am dritten Band ist die Trilogie absolut lesenswert und ich fühlte mich auch vom letzten Buch gut unterhalten, jedoch erscheint dieses im Rückblick als das schwächste der drei Bände. Der von mir erhoffte große Knall am Ende blieb leider aus, doch ich schaue voller Zuversicht und Freude auf eventuelle neue Werke von Kerstin Gier.  

Freitag, 23. Oktober 2015

Kerstin Gier "Silber-Das zweite Buch der Träume"

Und da hörte ich es,
mitten in das plötzliche
Schweigen hinein:
ein vertrautes, 
unheilvolles Rascheln,
nur ein paar Meter entfernt.
Obwohl niemand zu sehen war
und eine vernünftige Stimme in meinem Kopf sagte,
dass das hier sowieso nur 
ein Traum sei,
konnte ich nicht verhindern,
dass Angst in mir hochkroch,
genauso unheilvoll wie das Rascheln.
Ohne genau zu wissen, was ich tat
und vor wem ich davonlief, 
fing ich wieder zu rennen an.

Erscheinungsjahr: 2014
Verlag: FJB
Seiten: 405
2. Teil einer Trilogie

Nach dem spannenden Ende des ersten Bandes scheint es bei Liv wunderbar zu laufen. Sie ist glücklich in ihrer Beziehung mit Henry, die Familienzusammenführung scheint auch gut zu funktionieren (bis auf das „Bocker“) und die nächtlichen Besuche im Korridor sind ohne Gefahr gleich doppelt so interessant. Liv hat nun auch endlich die Möglichkeit an ihren Traumfähigkeiten zu arbeiten, sodass sie sich inzwischen z.B. mit Leichtigkeit in einen Jaguar oder einen Lufthauch verwandeln kann. Aber natürlich bleibt es nicht so harmonisch. Der Tod von Mr. Snuggles wirft einen Schatten auf die Familienharmonie und Livs kleine Schwester Mia beginnt plötzlich zu schlafwandeln, was zu einigen gefährlichen Situationen führt. Liv beginnt mit der Zeit daran zu zweifeln, dass es sich dabei nur um normales nächtliches Herumwandern handelt, vor allem da es noch einige offene Rechnungen zu begleichen gibt.
Der zweite Band läuft genau wie der erste langsam an, um sich dann zum Ende hin spannungsmäßig enorm zu steigern. Trotzdem kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Handlungsstränge, die im ersten Band geknüpft wurden, werden hier mehr oder weniger stark verfolgt und vorangetrieben. Ich möchte in diesen Punkten gar nicht so sehr ins Detail gehen, um nicht zu viel von der Story zu verraten. Die liebevolle Grundstimmung des ersten Bandes wird hier wieder aufgegriffen und natürlich fehlt es auch nicht an Witz und spitzen Kommentaren, so wie wir es von Kerstin Gier in ihren Büchern gewohnt sind. Wir erfahren einiges Neues über unsere Hauptcharaktere und lernen Henrys Familie besser kennen. Kritiker könnten bemängeln, dass es storytechnisch nicht wirklich voran geht, was ich auch gar nicht abstreiten möchte. Dennoch fühlte ich mich von Anfang bis Ende sehr gut unterhalten und fiebere enthusiastisch dem dritten Band entgegen.

Fazit:
Dieses Buch schafft es, was viele zweite Bände einer Trilogie nicht schaffen, nämlich ein gleichbleibendes Niveau zum ersten Band beizubehalten und Lust auf mehr zu machen. 

Sonntag, 4. Oktober 2015

Paula Hawkins "Girl on the Train"

Ich lehne den Kopf ans 
Zugfenster und lasse die
Häuser an mir vorbeiziehen
wie bei einer Kamerafahrt.
Ich sehe sie so, 
wie andere sie nicht sehen;
wahrscheinlich sehen nicht 
einmal ihre Bewohner sie 
aus dieser Perspektive.
Zweimal am Tag bieten sich 
mir für einen Moment Einblicke 
in fremde Leben.
Irgendwie hat der Anblick 
von Fremden, die daheim in 
Sicherheit sind, etwas Tröstliches.

Erscheinungsjahr: 2015
Verlag: blanvalet
Seiten: 446

Jeder, der regelmäßig mit Bus oder Bahn zur Arbeit fährt, kennt es: man starrt immer auf die gleichen Häuser, die gleichen Straßen,Wege und Geschäfte. So geht es auch Rachel, die jeden Tag mit dem Zug nach London pendelt. Ihre Lieblingsaussicht sind die Häuser in der Blenheim Road. Dort wohnen auch Jess und Jason. Rachel sieht sie fast jeden Tag, wie sie draußen auf ihrer Terrasse sitzen und Kaffee trinken, wie liebevoll Jason seine Frau umsorgt und für sie sind die beiden das perfekte Traumpaar. Natürlich weiß Rachel nicht ihre wirklichen Namen, sie hat sie nie persönlich kennen gelernt, aber sie erträumt sich gerne das absolut perfekte Leben des Paares. Es ist genau das, was sie verloren hat. Vor zwei Jahren wurde sie von ihrem Exmann für eine andere Frau verlassen, die beide zufällig nur wenige Häuser entfernt von Jess und Jason wohnen. Als Jess eines Tages spurlos verschwindet, prallen die Realität und Rachels Traumwelt aufeinander und sie muss erkennen, dass unter der Oberfläche der glücklich wirkenden Familie tiefe Abgründe warten können und nichts so sein muss, wie es zunächst schien.
Die Grundidee des Buches hat mich von Anfang an fasziniert, denn jeder ist schon einmal mit Bus oder Bahn gefahren und hat dabei eventuell sogar etwas beobachtet, was er nicht richtig einordnen konnte, weil er die Gesamtsituation nicht kannte. Rachel geht es nicht anders, doch sie interpretiert die Dinge, die sie sieht so, wie es ihr gefällt und wie es am Besten in ihre Traumvorstellungen des Paares passt. Andere Eventualitäten lässt sie einfach nicht zu und ihre Vorstellungen sind ihre Wahrheit. Was ich ebenfalls sehr interessant finde, sind die Charakterzeichnungen. Paula Hawkins präsentiert uns keine Helden des Alltags, sondern Menschen mit Problemen und Sorgen. Rachel ist Alkoholikerin, hat deswegen ihren Job verloren, trauert immer noch ihrem Exmann hinterher und die einzige Freude die ihr bleibt, sind ihre wunderschönen Lebensfantasien über fremde Menschen, die sie nicht mal kennt. Das klingt jetzt alles sehr bemitleidenswert und Rachel tut einem wirklich an vielen Stellen einfach nur Leid, aber es gibt auch die Momente, wo man am liebsten vor Scham im Boden versinken möchte, weil sie im Vollrausch mal wieder ihren Exmann angerufen und ihn angefleht hat, zu ihr zurück zu kommen. Das alles bessert sich allerdings, als Megan alias Jess verschwindet. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Rachel und Megan erzählt, wobei Megs Geschichte vor einem Jahr beginnt und wir uns zum Ende des Buches immer mehr dem Tag nähern, an dem sie verschwindet. Die Story hält dauerhaft eine gewisse Grundspannung, die zum Ende hin stark ansteigt. Sicherlich kann man als aufmerksamer Leser seine Schlüsse ziehen und eventuell auch den Mörder schon früher benennen, dennoch hat mich das Ende in seinem Ablauf sehr überrascht.

Fazit:
Eine wirklich faszinierende Grundidee, entsprungen aus dem Alltag vieler Menschen, eine durchgehend spannende Story mit unerwartetem Ende und der Erkenntnis, dass unter der Oberfläche verborgene Dinge brodeln können. 
Ein kleiner Kritikpunkt sind die zum Ende hin etwas übertrieben dargestellten männlichen Charaktere.