Sonntag, 4. August 2013

Gustave Flaubert "Madame Bovary"

Sie sagte sich immer wieder:
"Ich habe einen Geliebten!
einen Geliebten!" und genoß
diese Vorstellung, so als sei
sie zum zweiten Mal Frau
geworden. Sie würde endlich
also die Freuden der Liebe,
diesen Glücksrausch erfahren,
auf den sie nicht mehr gehofft
hatte.

Erscheinungsjahr: 1856 (Original)
Verlag: insel taschenbuch
Seiten: 454

Gustave Flauberts "Madame Bovary" zählt zu einer der größten Ehebrecherinnenromane der Literaturgeschichte und wird häufig in einem Atemzug mit "Effi Briest" und "Anna Karenina" genannt. Das Buch erregte seiner Zeit so viel Aufsehen, dass Flaubert eine Anklage wegen Sittenlosigkeit erhielt. Denn Flaubert beschreibt nicht nur ausführlich die Treffen Emma Bovarys mit ihren Liebhabern, ihren Selbstmord und ihre Verschwendungssucht, sondern auch, wie "einfach" es sein kann, seinen Partner zu hintergehen, wenn man vor Lügen und Betrügen nicht zurückschreckt.
Doch zunächst wird im Roman der Werdegang von Charles Bovary beschrieben, Emmas späterem Ehemann, der auf Bestreben seiner Mutter eine gute Schule besucht und danach Medizin studiert. Schnell wird klar, dass Charles ein charakterlich schwacher Mann ist, dessen Leben von den Frauen bestimmt wird: zunächst von seiner Mutter, dann von seiner ersten Ehefrau und zu guter Letzt von Emma. Er versucht es jedem Recht zu machen und man hat nie das Gefühl, dass er etwas aus seinem eigenen Willen heraus tut. Als seine Mutter eine Heirat zwischen ihm und einer 45-jährigen Witwe arrangiert, nimmt er es ohne Protest hin. Während seiner Ehe lernt er Emma kennen, von der er sofort hingerissen ist, sich jedoch nie etwas anmerken lässt, bis seine Frau an einem Herzanfall stirbt. Nach Ablauf des Trauerjahres heiratet er Emma und ist von da an der glücklichste Mann der Welt. Hier wechselt die Erzählperspektive zu Emma und der Leser erfährt, dass sie zunächst ebenfalls glücklich darüber ist, Charles geheiratet zu haben. Doch nach der Ankunft in ihrem neuen Heim und der Eingewöhnung in ihr neues Leben ist Emma schon bald gelangweilt und frustriert. In ihrer Vorstellung wollte sie ein Leben voller Leidenschaft, Spannung, teurer Bälle und Kleider führen, doch die Realität besteht, aus ihrer Sicht, aus Banalitäten und Monotonie. Sie fängt an, Charles für sein "einfaches" Leben und seine Anspruchslosigkeit zu verachten und verirrt sich immer mehr in Traumvorstellungen vom "idealen" Leben, das ihrer Meinung nach alle führen, nur sie nicht, obwohl sie es doch auch verdient hätte. 
Das Buch fasziniert durch die unterschiedlichen Personen- und Charakterzeichnungen, in die uns der Autor immer wieder Einblicke gewährt und die so festgefahren in ihrer Meinung sind, dass kein Abweichen möglich ist. Vor allem Emma verliert sich immer mehr in sich selbst, ohne auch nur den leisesten Hauch von Interesse an anderen zu zeigen. Selbst ihre Tochter scheint ihr egal zu sein. Nach einem anfänglichen Verstehen ihrer Situation kurz nach der Heirat wird der Abstand des Lesers zu Emmas Gefühlswelt immer größer und ich habe beim Lesen verschiedene Phasen durchlaufen wie Unverständnis, Wut, Ohnmacht gegenüber ihren Entscheidungen bis hin zu dem Wunsch, sie an den Schultern zu packen und einmal kräftig zu schütteln, bis sie wieder klar sieht. Es ist, als wenn man beobachtet, wie jemand ungebremst auf einen Abhang zujagt. Man möchte ihn gerne aufhalten, aber es geht nicht.
Im Gegensatz dazu hat man fast schon Mitleid mit Charles, der Emma abgöttisch liebt und alles für sie tut, dabei aber schwach und gutgläubig ist. Ich denke, selbst wenn Emma ihm gesagt hätte, dass sie eine Affäre hat, hätte er es nicht geglaubt, einfach, weil er es nicht glauben will. Er hätte die Augen vor der Realität verschlossen und hätte einfach weitergelebt, als wenn nichts wäre. 
Die kleine Tochter tut mir einfach nur Leid, denn sie liebt ihre Mutter, aber Emma hat keinerlei Interesse daran, sich mit ihr zu beschäftigen. Zwischenzeitlich habe ich mich gefragt, ob die Tochter noch bei ihren Eltern lebt, denn Emma "verschwendet" keinen Gedanken an sie und man erfährt nichts darüber, was sie macht.

Fazit: 
Ein Buch, das viele Probleme auf zwischenmenschlicher Ebene anspricht, starke Charaktere und interessante Personen hat, sowie eine sehr gute Beschreibung der Gedanken-und Gefühlswelt Emmas.

Dieses Buch ist etwas für Liebhaber der älteren Literatur, mit einem gewissen Verständnis der beschriebenen Zeit und Zustände.

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